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Leinenaggression vorbeugen!
Ausgangssituation
Leinenaggression kann sehr vielfältig ausgeprägt und mit unterschiedlichen Ursachen vorhanden sein. Das folgende Beispiel ist ein häufig anzutreffender Grund für Leinenaggression:
Ein fremder Hund, nennen wir ihn mal Sparky, erscheint am Horizont. Dein Hund entdeckt Sparky und beginnt ihn zu fixieren. Du nimmst deinen Hund an die von Sparky abgewandten Seite. Dein Leinenarm ist lang und entspannt, da ein angewinkelter Arm nur unnötige Spannung auf deinen Hund überträgt. Du bleibst zudem betont ruhig, damit deine Ruhe sich auch auf deinen Hund überträgt. Dennoch hängt dein Hund pöbelnd in der Leine, als Sparky näherkommt. Du bist ratlos, was genau schiefgelaufen ist. Die Erklärung in diesem Fall ist ganz einfach. Ich verdeutliche sie dir nun anhand von einem menschlichen Beispiel.
Leinenaggression menschlich betrachtet
Du gehst mit deinem kleinen Bruder Ben spazieren. Du liebst ihn sehr, aber manchmal kann Ben auch echt peinlich werden. Euch kommt eine Frau mit einem Jungen an der Hand entgegen. Ben fängt an den Jungen anzustarren und zeigt ihm provokant den Stinkefinger. Du bemerkst das, bleibst aber betont ruhig, damit sich diese Ruhe auch auf Ben und seinen Stinkefinger überträgt, doch der Stinkefinger bleibt blöderweise wo er ist. Auf Höhe des Jungen angekommen hüpft Ben dem Jungen mit einem knackigen „Du Blödmann!“ vor die Füße. Peinlich berührt murmelst du eine Entschuldigung und ziehst Ben weiter.
Erklärung
Erkennst du, warum all deine Bemühungen Ruhe zu bewahren im oben genannten Beispiel nicht zielführend waren? Provozierende Blicke deines Hundes sind vergleichbar mit einem gezeigten Stinkefinger. Beides lässt sich leider nicht durch Ignorieren und Passivität deinerseits beeinflussen. Ben hätte von dir sicher eine kurze Ansage bekommen, den Stinkefinger schleunigst runterzunehmen, wenn er keinen Ärger mit dir haben möchte. Deine Ruhe ist aber trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung, da du die Situation mit Anspannung und Unruhe nur verschärfen würdest. An der Leinenaggression deines Hundes änderst du allein mit Ruhe aber nichts.
Leinenaggression: Ursachen und Körpersprache
Ursachen
Die Gründe, warum ein Hund zu Leinenaggression neigt, können sehr unterschiedlich sein. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Trainingsansätze. Welcher Grund könnte auf deinen Hund zutreffen:
- Ist er im Freilauf immer freundlich und reagiert nur an der Leine frustriert?
- Hat dein Hund schlechte Erfahrungen mit anderen Hunden gemacht?
- Fehlen ihm Erfahrungswerte mit anderen Hunden, weil er isoliert von anderen Hunden aufgewachsen ist?
- Ist er ein Raufbold, der einfach Lust auf Pöbeln hat (Lustraufer) ?
Körpersprache
Erkenne, wenn dein Hund beginnt den anderen Hund schon aus der Ferne mit starrem Blick zu fixieren. Fixieren ist häufig Auslöser für die Leinenaggression. An diesen Merkmalen solltest du erkennen, wann sich dein Hund zum Pöbeln bereit macht:
- die Ohren werden dabei aufrecht getragen
- das Maul ist geschlossen
- die Rute richtet sich immer weiter auf
- ggf. stellen sich die Rückenhaare auf
Einige Besitzer wissen gar nicht, dass ihr Hund gerade droht. Andere Besitzer wissen es, hoffen aber im Stillen, dass es dieses Mal gut geht. Je länger dein Hund drohen „darf“, desto mehr wird er sich in die Situation hineinsteigern. Eine Leinenaggression ist dann nahezu unvermeidlich.
Tipps vorab
Eine frontale Annäherung bietet übrigens häufig Konfliktpotential bei Leinenaggression, da sie aus Sicht eines Hundes sehr unhöflich ist. Laufe daher, wenn möglich, einen kleinen Bogen um die Begegnungssituation zu entspannen und dem Gegenüber friedliche Absichten zu signalisieren.
Manchen Hunden hilft es mit etwas Abstand am Wegesrand ein Kommando, wie zum Beispiel ein Sitz auszuführen. Das hilft deinem Hund sich auf das Kommando und auf dich zu konzentrieren. Einige Hunde starren allerdings weiterhin an deinen Beinen vorbei zum anderen Hund. Sobald der Hund auf gleicher Höhe ist, machen sie einen Satz in Richtung des anderen Hundes. In diesem Fall macht diese Variante keinen Sinn.
Rechtzeitig korrigieren!
Gib deinem Hund immer erst die Chance sich richtig zu verhalten und lass erst dann eine Korrektur folgen! Der Weg zum Erfolg ist IMMER den Blickkontakt deines Hundes zum Reiz zu unterbrechen, da Leinenaggression nur mit Blickkontakt zum anderen Hund möglich ist. Sobald dein Hund also anfängt zu starren, zählst du innerlich bis drei. Sprich deinen weiterhin starrenden Hund nun freundlich mit seinem Namen, gegebenenfalls gefolgt von einem Aufmerksamkeitssignal, an. Infos zur 3-Sekunden-Regel und zum Aufkermsamkeitssignal findest du HIER.
Ignoriert dein Hund deine freundliche Ansprache, so muss nun eine Korrektur folgen, damit dein Hund seinen Fokus weg vom anderen Hund lenkt und sich dir zuwendet.
Vorraussetzung für eine erfolgreiche Korrektur
Damit dein Hund eine Korrektur von dir akzeptiert, muss eure Beziehung zueinander allerdings klar definiert sein. Trifft dein Hund schon im Alltag sehr viele Entscheidungen, bist du aus seiner Sicht sicher ein nettes WG-Mitglied, hast aber in Konfliktsituationen eher wenig Mitspracherecht.
Eine Entscheidung trifft dein Hund immer dann, wenn er etwas aus einem eigenen inneren Antrieb heraus macht. Egal, ob er dir ungefragt körperlich nah kommt oder er fiept und bellt, damit du den Ball schneller aus der Tasche zauberst. Schau dir dazu auch gern nochmal unseren Beitrag zu „Impulskontrolle Ursachen und Praxisbeispiele“ an.
Richtig korrigieren!
Ein Warnsignal kann zum Beispiel ein ruhig, aber ernst ausgesprochenes „Ey!“ sein. Dieses kündigt deinem Hund in Zukunft an, dass eine Korrektur folgt, sofern er sein Verhalten nicht in die von dir gewünschte Richtung ändert.
Richtungswechsel
Dreh dich dafür kommentarlos mit aufrechtem Oberkörper und Körperspannung in Richtung deines starrenden Hundes, um einen Richtungswechsel einzuleiten. Damit unterbrichst du das Fixieren deines Hundes. Verlagere dein Gewicht auf das deinem Hund zugewandte Bein, um einen sicheren und souveränen Stand zu haben. So kannst du deinem Hund nicht aus Versehen auf die Pfoten treten. Beweg dich natürlich, aber kontrolliert und werde nicht hektisch.
Dein Hund wird bei der Drehung und dem damit verbundenen Richtungswechsel kurz aus seinem Fixieren herausgerissen und seinen Fokus verwundert auf dich legen. Diesen Moment nutzt du, um mit deinem Hund auf sozialer Ebene verbal zu flirten. Einige Sekunden später holst du die Belohnung aus der Tasche, die du deinem Hund aber noch nicht gibst. Die Belohnung erfolgt erst, sobald der Leinenaggression – auslösende Reiz (in diesem Fall der andere Hund) an euch vorbei ist. Der Fokus deinen Hundes sollte dabei die ganze Zeit bei dir sein.
Nach dem Richtungswechsel
Je nachdem wie sehr eine Hundebegegnung deinen Hund aufregt, hast du nach der Drehung mit Richtungswechsel verschiedene Möglichkeiten. Sofern dein Hund die direkte Nähe eines anderen Hundes absolut noch nicht ohne Leinenaggression erträgt, so gehe in die neu eingeschlagene Richtung weiter. Entferne dich vom fremden Hund, um die direkte Konfrontation anfänglich noch zu umgehen.
Wenn die Chancen 50/50 stehen, dann dreh dich nach ein paar Metern wieder in Richtung des anderen Hundes um. Achte darauf, den Fokus deines Hundes durch deine soziale Interaktion und die Aussicht auf eine Belohnung bei dir zu behalten. Fixiert er den anderen Hund erneut, so ertönt nach 3 Sekunden das Warnsignal gefolgt von einer weiteren Drehung mit Richtungswechsel. Schätze selber ab, ob es Sinn macht sich dem anderen Hund erneut zu nähern, oder lieber etwas auszuweichen.
Chance vertan?
Sofern die Begegnungssituation sich nicht verhindern lässt und die Leinenaggression unvermeidbar ist, hast du 2 Möglichkeiten.
Stell dich so weit wie möglich an den Wegesrand, halte die Leine gut fest und gegen deinen Körper gedrückt. Verhalte dich ruhig und dreh dich weg von deinem Hund. Wenn er motzen will, soll er es bitte ohne deine Rückendeckung machen. Getreu dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ nutzen einige Hunde die Anwesenheit ihres Sozialpartners (dich), um ihre Leinenaggression auszuleben.
Deinen Hund per Kommando hinter dich zu schicken kann ebenfalls sehr hilfreich in einer Begegnungssituation sein. Du signalisierst deinem Hund damit, dass DU dich um den entgegenkommenden Hund kümmerst und er es demnach nicht muss. Die ersten Schritte vom Aufbau des Kommandos „Hinten“ habe ich dir in unserem Beitrag „3 Tipps zur Beschäftigung auf dem Spaziergang!“ bereits erklärt.
Good to know: Hormone
Du fragst dich gerade, warum du mit deinem Hund flirten sollst? Warum nicht einfach direkt belohnen? Durch die soziale verbale Interaktion vor der Gabe der Belohnung wird das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet. Es wird umgangssprachlich auch als „Kuschelhormon“ bezeichnet, fördert Bindung und Vertrauen und wirkt – als Gegenspieler vom Stresshormon Cortisol – stressdämpfend.
Wird die Belohnung emotionslos, also ohne diese soziale Interaktion gegeben, wird kein Oxytocin ausgeschüttet. Dein Hund wird die Belohnung einfach nur schnell runterschlucken und sich erneut dem Reiz zuwenden und dich ausblenden. Du dienst also lediglich als Futterautomat und die Oxytocin-Produktion steht leider still.

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Hallo,
vielen Dank für diesen sehr informativen und toll geschriebenen Artikel!
Eine Frage hätte ich: wie flirte ich denn verbal mit meinem Hund? Normalerweise schnalze ich und sag irgendwas mit freundlicher Stimme. Ist das gemeint?
Liebe Grüße